Guy P. Marchal (1938–2020)

Die Schweizerische Gesellschaft für Geschichte (SGG) trauert um Guy P. Marchal, der am 3. März 2020 verstorben ist. Der renommierte Basler Historiker war von 1989 bis 2003 Ordinarius für Allgemeine und Schweizer Geschichte an der Universität Luzern. Zudem präsidierte er von 1998 bis 2004 die SGG. In dieser Funktion reformierte er den Verband umsichtig und legte damit den Grundstein für seine Professionalisierung.
Guy Paul Marchal studierte mittelalterliche Geschichte in Basel und promovierte bei Albert Bruckner mit einer Dissertation zum Basler Kollegiatstift St. Peter. Danach war er Assistent bei František Graus und habilitierte mit einer Arbeit mit dem Titel „Die frommen Schweden in Schwyz. Das ‚Herkommen der Schwyzer und Oberhasler‘ als Quelle zum schwyzerischen Selbstverständnis im 15. und 16. Jahrhundert“. Mit dieser Arbeit zur Entstehung des kollektiven Selbstverständnisses wies Marchal die Richtung für künftige Forschungen. Ein Meilenstein war dabei sein Aufsatz „Die Antwort der Bauern“ (1987). In diesem vielbeachteten Text zeigte Marchal, dass die Erinnerung an vergangene militärische Heldentaten einerseits und die zur Schau gestellte Frömmigkeit anderseits eine zentrale Rolle im Selbstverständnis der Eidgenossen bildeten, die sich als das „auserwählte Volk Gottes“ des Alten Testaments zu stilisieren suchen. Dabei handelte es sich aber keineswegs um eine Schweizer Eigenheit, wie Marchal später nachweisen konnte, sondern vielmehr um ein immer wieder anzutreffendes Muster zahlreicher Nationalgeschichtsschreibungen.1998 wurde Marchal zum Präsidenten der Allgemeinen Geschichtsforschenden Gesellschaft der Schweiz (AGGS) gewählt, wie die SGG damals noch hiess. Umsichtig, tatkräftig und mit einem guten Gespür für das politisch Mögliche reformierte er die AGGS. Unter seiner Führung öffnete sich der Verband für Berufsgattungen ausserhalb des universitären Umfeldes sowie für Geschichtsinteressierte im Allgemeinen. Damit einher ging nicht zuletzt der Namenswechsel zur heutigen SGG, der diese Neuorientierung auch für Aussenstehende zum Ausdruck brachte.Mit dieser wichtigen Reform wurde der Grundstein für die künftige Entwicklung der SGG, insbesondere zu ihrer Professionalisierung, gelegt. Dabei war diese zukunftsweisende Umstrukturierung kein Selbstläufer. Doch dank seiner konsensorientierten Politik und seiner freundlichen Art und Weise, gelang es ihm schwierige und konfliktträchtige Situationen zu meistern und einen Konsens in der Gesellschaft herzustellen, um diese wichtige Reform ins Ziel zu bringen.Guy Marchal blieb auch nach seiner Emeritierung 2003 und seinem Ausscheiden aus dem Amt des Präsidenten der SGG wissenschaftlich aktiv. So publizierte er mehrere Beiträge zur Entstehung nationaler Geschichtsschreibungen im internationalen Vergleich. Noch im Dezember 2019 veröffentlichte er mit «Gustloff im Papierkorb – ein Forschungskrimi» eine sehr positiv aufgenommene Monographie, in der er mithilfe fiktionaler Elemente, die nationalsozialistische Vergangenheit eines angeheirateten Schwagers seines Vaters aufarbeitete.
Der SGG wird Guy Marchal ein ehrendes Andenken bewahren.
Ein ausführlicher Nachruf erscheint demnächst in der Schweizerischen Zeitschrift für Geschichte (SZG).

'